Die Chronik

 

Gegründet wurde der Verein im Jahr 1886. Eine Zeit, in der sich das Vereinswesen im gesamten Deutschen Kaiserreiches sehr stark ausbreitete. Liest man jedoch die Protokolle, die im ersten noch erhaltenen Protokollbuch niedergeschrieben worden sind – in Sütterlin-Schreibschrift, zugegebenermaßen für Ungeübte nicht ganz einfach – so gewinnt man schnell den Eindruck, dass es den Vereinsgründern wohl nicht um „die Vereinsmeierei“ an sich gegangen ist. Vielmehr haben Liebhaber und Interessierte der Geflügelzucht ganz offensichtlich eine Möglichkeit gesucht, Erfahrungen und Erkenntnisse auszutauschen und ihr Hobby miteinander zu teilen.

Hobby?

Zu jener Zeit war es zu einem großen Teil wohl auch die gefühlte Notwendigkeit, die Geflügelzucht nicht nur als Hobby, sondern auch als Wirtschaftsfaktor für die Verpflegung der Familie zu betreiben. Auszunehmen

sind hier vielleicht die Taubenzüchter, die sich wohl eher organisierten, um die Schönheit ihrer Tiere mittels der damals schon stattfindenden Ausstellungen einem breiteren Publikum verdeutlichen zu können. Überhaupt spürt man beim Lesen der alten Protokolle immer wieder die Freude und den Enthusiasmus der lange verstorbenen Zuchtfreunde.

Das, was sie damals begeisterte, erhielt den Verein am Leben und begeistert die heutigen Rassegeflügelzüchter noch heute.

Die Themen, die die Zuchtfreunde seit jeher bewegten, gleichen unseren:

Aufzucht, Zuchterfolge, Fütterung, Krankheitsbekämpfung, Ausstellungen und

deren Vorbereitung etc..

Sicherlich könnten wir Jetzigen von den Damaligen einiges lernen und die Damaligen wären wohl froh gewesen, hätten sie die Möglichkeiten der modernen Tiermedizin zu Verfügung gehabt. Allerdings mag es sein, dass unsere Zuchtfreunde von früher unsere heutigen Hühnern und Tauben so manches Mal mit Hausmitteln kuriert hätten, wo wir schon längst die chemische oder biochemische Keule schwingen würden.

Immerhin schienen damals nicht alle Züchter sich gleich viel Mühe gemacht zu haben – so wurden zeitweilig „Stallbegehungen“ durchgeführt, deren häufig

recht schlechte Ergebnisse unverblümt angesprochen und im Protokoll verewigt wurden. Vielleicht würde so etwas manchen sogenannten Züchtern von heute,

beziehungsweise deren Tieren,  auch einmal gut tun.

Was verwundert ist, wie wenig sich die schwierigen Zeiten, denen die Züchter immer wieder ausgesetzt waren – zwei Weltkriege, Inflationszeit und

Weltwirtschaftskrise in den „goldenen Zwanzigern“, die Jahre nach 1945 bis zum Beginn des „deutschen Wirtschaftswunders“ – in den Protokollen

Niederschlag fanden. Man muss schon ein wenig zwischen den Zeilen lesen, um einen Einblick in die damaligen Probleme zu erhalten. Um es zu ersparen, dass sich jeder selbst durch die handschriftlichen Protokolle kämpfen muss – ich nehme an, dass kaum einer unter uns die Sütterlinschrift perfekt beherrscht, mir selbst hat sie Schwierigkeiten genug gemacht – will ich aus verschiedenen Jahren zitieren, was unsere damaligen Zuchtfreunde beschäftigte:

 

„Generalversammlung im Schützenhofe am 16. November 1909"

Punkt 3 – Verschiedenes

Herr Schultz bemängelt sehr, dass der Verein bisher die 60 Mark Subvention vom Kreis nicht erhalten hat. Es wird darauf beschlossen, dass die Herren Eppler und Ziemer sich persönlich zum Herrn Landrat begeben sollen, um zu versuchen, dass die 60 Mark noch

nachgezahlt werden für 1909.“


Man kann unschwer erkennen, dass man das Geld für die verschiedenen Vereinsaktivitäten auch vor über 100 Jahren nicht nur aus den Mitgliederbeiträgen erwirtschaftete, sondern auch von Sponsoren erbat. Im

Übrigen wurde nicht nur der Kreis, sondern auch die Mildstedter Sparkasse und die Volksbank auf Spenden, hier Subvention genannt,  angesprochen. Aus den

folgenden Protokollen kann man erkennen, dass viele der angesprochenen Sponsoren auch tatsächlich finanziell unterstützten.

Und ebenfalls, wie heute, wurden zwei „ausgekuckt“, die das Ganze regeln sollten. 1909 war es Herr Eppler, heute ist es unser Siegfried: „Mok du dat man, Sigi. Du kannst dat!“ Und Siegfried macht.

Ob Herrn Eppler, dem damaligen ersten Vorsitzenden des Vereins auch eine Christine mit Rat und Tat zur Seite stand, konnte ich nicht aus den Niederschriften herauslesen. Aber auch unsere Christine tritt in den heutigen Protokollen ja auch nur selten in Erscheinung.

Zwischen 1914 und 1921 findet sich im Protokollbuch kein Hinweis mehr auf den damaligen 1. Vorsitzenden Christian Schultz. Ich nehme einmal an, dass er

zu der Zeit im 1. Weltkrieg gewesen ist und anschließend vielleicht in Gefangenschaft geriet. Glücklicherweise hat er die schlimme Zeit wohl überstanden. Schließlich hat er den Verein noch bis 1928 geführt und ist 1932 als

Ehrenvorsitzender gestorben.

Es hat den Anschein, dass damals nicht jede Versammlung gleich spannend und unterhaltsam gewesen ist. Vielleicht wäre die damalige Methode vom 1. Vorsitzenden ja auch für uns etwas, wenn es einmal langweilig werden sollte.

 

„Versammlung am 6. März 1931 bei H. Carstensen, Markt

Punkt 5:

Es kommen zur Verlosung an die Versammlungsteilnehmer 4 x 5 RM als Beihilfe zur Beschaffung von Bruteiern und 2 x 10 RM als Beihilfe zur Beschaffung von Zuchttauben. Ebenfalls wurden verlost 3 Satz Barnevelder-Bruteier“


Wie ist es wohl zu dieser Verlosung gekommen? Ganz einfach: aus dem vorherigen Protokoll geht hervor, dass die Verlosung dazu gedacht gewesen ist, die Versammlungen attraktiver zu gestalten. So hatte am 13. Februar 1931 der neue 1. Vorsitzende Herr de la Porte angeregt, dass durch Vorträge, Berichte,

Illustrationen usw. versucht werden soll, die Versammlungen interessanter zu gestalten. Zwischen den Protokollen von 1934 und 1937 findet man im Protokollbuch nur ein paar leere Seiten. Anders, als heute unsere 125Jahr-Feier, war das 50. Jubiläum anscheinend kein Anlass für eine Feier oder ähnliches – warum auch immer.

 

Das erste Protokoll von 1937 handelt von der

Jahreshauptversammlung am 4. April 1937

Punkt 2:

„Nachdem bereits in den Monaten Februar und März dieses Jahres eine Aktion zur Beschaffung von verbilligtem Mais durchgeführt worden ist, soll in nächster Zeit eine zweite Aktion vorgenommen werden….

Herr Klatt wies darauf hin, dass für die Mitglieder eine vorzügliches Legemehl, dass nach seinen eigenen Zusammenstellungen hergestellt ist, beim Getreidehändler Leonhard Jacobsen zu haben ist.“

Punkt 3:

„Im November 1936 hat in Hensens Garten die erste Geflügelschau der Kreisfachgruppe stattgefunden und mit gutem Erfolg abgeschlossen. Der Wanderredner Herr Muß aus Voerde hielt im Handwerkervereinshaus einen Vortrag über neuzeitliche Geflügelhaltung.“

Punkt 8:

„Herr de la Porte hielt einen Vortrag über Vorbeugung und Heilung von Geflügelkrankheiten.“

Nicht nur bei dieser Versammlung, sondern auch bei anderen, diskutierte man angeregt die verschiedenen Möglichkeiten zur Fütterung mit so heute eher unbekannten Futtermitteln wie “Markstammkohl und Mangold. Sonnenblumen und Mais“ waren damals aber schon genauso anerkannt wie heute.

Ebenso wie zur richtigen Fütterung machte man sich 1938 auch Gedanken über die richtige Haltung von Hühnern zur Steigerung der Legeleistung. Zu diesem Zweck besuchten zwei Vereinsmitglieder die Siedler im Umkreis, wobei sie leider feststellten, „dass bei fast allen Hühnerhaltern die Ställe nicht

zweckmäßig eingerichtet seien und somit eine gesteigerte Legeleistung nicht erzielt werden könne.“

Auch schon früher schienen die Vereinsmitglieder fest zueinander gestanden zu haben, denn am 8. Januar 1938 wurde beschlossen., dass von einer Zuchtbeihilfe vom Kreis in Höhe von 200 Reichsmark, 50 Reichsmark dazu verwendet werden sollten, Zuchtfreunden, die in den vorherigen Jahren Schulden des Vereins privat ausgeglichen hatten, ihr Geld zurückzuzahlen.

In den folgenden Jahren werden für unsere damaligen Zuchtfreunde die Zeiten schwer:

1942 war es dem Protokollführer Hermann Lück wichtig festzuhalten, „dass alle Zeitungen während des Krieges zusammengelegt wurden und deshalb nur eine Zeitung erscheint, anschließend wurde über Küken gesprochen.“ und dass die Tauben in diesem Jahr spät zur Brut schreiten.

1943 schrieb Hermann Lück, dass ein Rundschreiben über Torfmullabgabe gekommen sei und dass im Verein Torfmullscheine verteilt worden sind.

1944 gibt es Bruteier nur noch gegen Bezugsscheine, die vom Kreis beschafft und über den Verein verteilt und ausgegeben werden.

1945 mussten sämtliche Bestände an Hühnern, Enten, Zwerge, Puten und Gänsen nach Rassen der Reichsfachgruppe gemeldet werden. Nur die Eier von Zwergrassen waren von der Eierablieferung frei. Diese durften behalten werden.

Und unter dem Punkt Verschiedenes unterhielten sich die Zuchtfreunde über die neuen Bestimmungen zum Abschlachten und zur Reduzierung der Bestände. Von 1946 bis 1958 stehen ganz bestimmt wirklich interessante Informationen in den Protokollbüchern, das Problem ist nur, dass es bestimmt weniger Probleme bei der Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen gab, als ich sie beim Lesen Protokolle hatte. Nicht nur war die Schrift ein Gemisch von Sütterlin und lateinischer Schrift, die Protokollführer haben sich auch alle Mühe gegeben, dass außer ihnen niemand lesen konnte, was sie aufgeschrieben haben. Das Einzige, was man wirklich gut entziffern kann, ist das jeweilige Datum.

Erst 1958 wählt man einen Schriftführer, dessen Notizen man auch lesen kann – leider gibt er sein Amt 1962 wieder ab. Aber auch seine Nachfolger haben sich sehr angestrengt, ordentlich zu schreiben.

Vom 18. bis zum 20. November 1955 fand die erste Grenzlandschau in der Nordseehalle zu Husum statt. Zuchtfreund Paul Schultze fungierte als Ausstellungsleiter.

838 Tiere wurden ausgestellt, davon waren

154 Hühner,

97 Zwerghühner,

17 Enten,

516 Tauben

und 54 Stück Ziergeflügel.

Besucht wurde die Schau von 945 Erwachsenen, 455 Kindern, 53 Erwerbslosen usw. und 216 Kindern, die als Schulklassen teilnahmen. Insgesamt waren es 1669 Erwachsene und Kinder.

Wieviele Hoffnungen sich an diese erste große Schau geknüpft haben, kann man spüren, wenn man den , mit Schreibmaschine geschriebenen , Bericht des Ausstellungsleiters durchliest. Der verdiente Erfolg blieb nicht aus. So schrieb der Zuchtfreund Johannes Petersen aus Niebüll an den ersten Vorsitzenden Fritz de la Porte: „Ich muß auch noch mal meine volle Anerkennung für eure Schau aussprechen. Es gibt dafür nur ein Wort: "Sie war wunderschön!“

In jenem Jahr wird übrigens ein Jungzüchter erwähnt, der uns heute allen gut bekannt ist. Sein Standgeld von 3.- DM zusammen mit je 1.- DM als Portoanteil und für den Katalog hat er ehrlich und pünktlich entrichtet. So wie er es bis heute macht. Leider konnte ich nichts über seinen Erfolg finden, aber ich bin sicher, dass sich unser Kreisvorsitzender Heinz Schmieta noch gut daran erinnert, was er damals als Preis eingeheimst hat…

 

Ich hoffe, mit diesem kurzen Gang durch die Geschichte unseres Vereins niemanden allzu sehr strapaziert zu haben – wenn doch, bitte ich mir das nachzusehen. Ich wünsche allen noch einen schönen Abend und dass unsere Jubiläumsschau in diesem Jahr von den Besuchern als ebenso schön empfunden wird, wie damals 1955 die erste.